Überholung eines LT230 Getriebes

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Kurz & Knapp
Fahrzeug alle mit LT230 Verteilergetriebe
Kategorie D
Zeitaufwand > 10h
Werkzeug gute Werkstattausrüstung
Ersatzteile siehe Text

Beschreibung

Überholung des LT230 Verteilergetriebes. Diese Beschreibung ist nur als Ergänzung zum Overhaul Manual von Land Rover gedacht. Sie soll und kann die Lektüre des Land Rover Manuals NICHT ersetzen. Workshop Manuals sind bei Benutzung von Internetsuchmaschinen leicht zum Download zu finden.

Fehlersymptome und Analyse

  • Ölverlust an der Zwischenwellenlagerung
  • Kupferspäne im Öl
  • hohes Verdrehspiel zwischen den Flanschen
  • vertikales Spiel der Abtriebswellen

Nach dem Zerlegen zeigt sich folgendes:

Kupferspäne im Getriebegehäuse. Die Kupferspäne kommen von einer zerlegten Druckscheibe (Thrust washer) im Differenzial. Es sind nur noch 3 Druckscheiben an den Planetenrädern vorhanden. Die zerlegte Scheibe hat es aus dem Diff genudelt und sie lag nun in fein verteilten Flocken im Gehäuse. Ob solche Späne im Getriebe rum fliegen lässt sich beim Ölwechsel im Öl erkennen, oder noch besser: den grossen rechteckigen Deckel über der Zwischenwelle abnehmen und reinschauen. Interessanterweise hat die fehlende Scheibe im Diff kein übermäßiges (Verdrehspiel) an den Flanschen zur Folge gehabt. Die Planetenräder haben jedoch schon deutliche Spuren im Diff-Gehäuse hinterlassen. Nicht so stark, dass man es nicht mehr nutzen kann, aber deutlich erkennbar auch an den Planetenrädern, wo die Druckscheiben noch da waren. Meine Vermutung: Zu schlechtes (falsches) Öl benutzt, oder nicht häufig genug gewechselt. Da das Diff der wichtigste Punkt im VTG ist, ist meine Lehre draus: lieber öfter mal Getriebeöl wechseln. Die Querwellen im Diff sind leicht eingelaufen. Im Prinzip können sie weiterverwendet werden, aber der Tausch ist billig (13,- BP). Die Planetenräder zeigen innen Laufspuren, aber sie sind maßhaltig. Also weiterbenutzen. Die Verzahnungen in den Sonnenrädern sind i.O.

Alle Zahnräder sind in erstaunlich gutem Zustand und können weiterbenutzt werden. Die Tragbilder auf den Zahnflanken sind perfekt. Kein Pitting, kein Karies, kein Zahnausfall.

Wirklich verschlissen ist die HI/LO Schaltmuffe, sie hat deutliche Abdrücke. Sie kostet mit ihrem Trägerrad 77,- BP. Ich weiß, dass mit der Schaltmuffe eigentlich auch die Gangräder gewechselt werden sollten, aber deren Mitnehmer sind erstaunlicherweise recht gut. Die Schaltmuffe scheint also die "Soll" Verschleißstelle zu sein.

Ansonsten sind nur Lager, Dichtungen und Simmerringe zu wechseln.

Die Gehäusebohrung für die Zwischenwelle ist um gute 3/10mm aufgeweitet. Ich werde eine Buchse einsetzen.

Die Kosten für alles werden sich um die 240 Euro bewegen, nicht eingerechnet die Gehäusebuchse (das werde ich selber machen).

Das Zerlegen ist völlig unproblematisch. Sauberkeit und Platz um die Teile zu ordnen und in der Anordnungsreihenfolge einzusortieren sind hilfreich.

Teile

Das sind die Teile, die gewechselt werden. Oben alle Lager.
Im linken Bild: Links unten die Hi/Lo Schaltmuffe, in der Mitte die Thrust washer des Diffs, rechts die Stauchhülse der Zwischenwelle. Sie muß immer erneuert werden, da sie beim Einbau irreversibel gestaucht wird.
Im rechten Bild noch die Wellen des Differenzials. Dazu kommen natürlich noch die Dichtungen und Simmerringe.

Vergleich - alt/neu

Vergleich alte Schaltmuffe (rechts) - neue Schaltmuffe (links). Als ich die neue Schaltmuffe hatte, zeigte sich, daß sie die gleichen Abdrücke aufweist. Mist, das soll also so sein! Offensichtlich ist das die Rastung, die verhindert, dass die Gänge rausfliegen.

Schaltmuffenvergleich, links neu, rechts alt


Zum Vergleich: Diff mit neuem Thrust washer (links) und altem (rechts). Hier sieht man auch recht gut, dass die Tragbilder der Zahnflanken ganz gut aussehen. Oben auf dem Sonnenrad liegt die braune Kunststoffdistanzscheibe

Thrustwasher, links neu, rechts alt


Vergleich der Thrustwasher: Reste einer Scheibe (links), alte Scheibe mit nur noch 0,1mm (mitte) und neue Scheibe mit 0,9mm (rechts).

Thrustwasher


Zustand des Diff Gehäuses mit Laufspuren der Thrustwasher. Hätte man evtl. auch erneuern können, was aber den finanziellen Rahmen gesprengt hätte. Zudem ergab ein Telefonat mit einem namhaften Getriebebauer, dass dort ebenfalls solche Gehäuse weiterbenutzt werden.

Differentialgehäuse mit Laufspuren


Stauchhülsen der Zwischenwelle alt (links) - neu (rechts)

Stauchhülsen - links alt, rechts neu


Eingedrückte Bohrung der Zwischenwelle im Gehäuse

Bohrung Zwischenwelle


Nachgeplante Dichtflächen. Das war alles krumm und bucklig. Die hellen Stellen sind durch Abziehen mit einer grossen, feinen Feile abgetragen

Geplante Dichtflächen


Hier nochmal die gerne mal undichte Stelle am LT230, wo die Zwischenwelle nur mit einem O-Ring abgedichtet ist. Die Welle hat gut 3/10mm Spiel in der Bohrung und auch ein neuer O-Ring konnte nicht mehr dichten. Diese Bohrung werde ich auf der Fräsmaschine aufspindeln und dann eine etwas längere Stahlhülse einschrumpfen, damit die Welle dann sogar auf einer größeren Fläche tragen kann.

Bohrung Zwischenwelle

Kraftfluß im Getriebe

Hier sieht man den Kraftfluß im Verteilergetriebe (HI-Einstellung rot, LO-Einstellung blau):

Das Eingangszahnrad ist ganz unten. Hier kommt das Drehmoment an und wird auf das mittlere Zahnrad der Zwischenwelle übertragen. Von der Zwischenwelle aus geht das Drehmoment weiter über das jeweils im Eingriff befindliche Straßengangrad (rechts) oder über die Geländeuntersetzung (links). Über das dazugehörige Zahnrad auf der Hauptwelle, das über die Schaltmuffe mit der Welle verbunden ist, wird das Drehmoment nun auf das Gehäuse des Differenzials übertragen und von dort über die Planetenräder des Diffs auf die Sonnenräder und damit an die Abtriebswellen für Vorder- und Hinterachse.

Kraftfluß


Häufig wird bei eingebautem Getriebe ein Radialspiel am Antriebsflansch festgestellt. Das muss nicht zwingend das Abtriebslager sein. Die Abtriebswellen stecken innen nur in den Sonnenrädern des Diffs. Man spürt unter Umständen am Flansch darum nur das Spiel im Diff am anderen Ende der Welle, wenn die Welle insgesamt um das Abtriebslager schwenkt.
Auf diesem Bild sieht man leider etwas unscharf die Schaltmuffen der HI/LO Fahrstufen (rechts), sowie der Differenzialsperre (links). Die Differenzialsperre verblockt einfach das Gehäuse des Differenzials mit der Vorderachsausgangswelle.

Schaltmuffen klein.jpg


Bis hierher die Bestandaufnahme zum Zustand des Getriebes. Jetzt geht’s los mit den Einstellungen am Differential.

Arbeitsschritte

Differential ausdistanzieren

Die Ausdistanzierung des Diffs habe ich folgendermaßen bewerkstelligt: Dazu habe ich mir Distanzscheiben aus Alufolienpaketen mittels auf der Drehbank gefertigtem Stempel ausgestanzt. Eine Alufolie hat 1,5/100mm Dicke. Entsprechend lassen sich unterschiedlich dicke Scheiben herstellen und damit das Diff distanzieren. Die Folienscheiben halten natürlich die Belastung im Betrieb nicht aus und darum werden sie nur zur Messung benutzt und damit die Dicke der erforderlichen Scheiben ermittelt. Leider stellte sich heraus, dass die eingebauten Originalscheiben schon die dicksten sind, die es gibt (1,45mm). Ich brauche sie nun aber 1/10mm größer. Damit werde ich sie wohl selbst anfertigen müssen. Interessant ist, dass diese Scheiben unter den Sonnenrädern überhaupt keinen Verschleiß hatten. Sie sind immer noch 1,45mm dick, obwohl die Scheiben unter den Planetenrädern quasi völlig verschwunden sind. Das erklärt wohl auch, warum die Distanzscheiben unter den Sonnenrädern aus Kunststoff sind. Sie werden offensichtlich kaum belastet.

Einschleifen

Immer feste Schleifen, reinigen und dann Diff zum Test zusammenschrauben … was, passt immer noch nicht? Dann noch mal schleifen …

Einschleifen

Montage

… zu und wieder auf und wieder zu …

Das Diff ist nun mit selbst gedrehten Rotgußscheiben ausdistanziert. Die Anweisung im WHB das Diff mit der Schlepplastwaage auszudistanzieren kann man getrost vergessen. Die Scheiben gibt es (wenn man sie nicht grade selbst dreht) in Abstufungen von 5/100mm. Der Unterschied zwischen klemmt total und läuft schön locker sind aber schon wenige Hundertstel. Ich habe die Scheiben auf der Glasplatte eingeschliffen und mich lieber für locker entschieden. Nach 10x Diff auf und zu wars erledigt :-). Auch die Anweisung die Zahnstellungen beim Zerlegen zu markieren kann man getrost vergessen, denn die Sonnenräder haben wie es sich gehört ungerade Zähnezahlen. Damit rotieren die tragenden Zähne durch und der Verschleiß verteilt sich immer gleichmäßig.

Meine Schlussfolgerung zum Differential:

1. Es ist wichtig neue Thrustwasher einzubauen, damit der Abstand zwischen Planetenrad und Diff-Gehäuse gewährleistet ist. Ein garantierter Folgeschaden ist, dass bei zerlegtem Thrustwasher das Diff-Gehäuse einläuft und beschädigt wird.

2. Das absolute Spiel zwischen den Wellen (Scheiben unter den Sonnenrädern) ist nicht so wichtig, denn erstens sind sie sowieso kaum belastet und zweitens wird es auch in der Realität zu gross gewählt, denn die Zahl der Distanzscheiben ist beschränkt.

3. Dieses Spiel lieber einen Hauch zu gross wählen, als zu klein!

4. Viel wichtiger ist das eigene Verhalten im Fahrbetrieb: Sperre einlegen, wenn möglich und nicht, wenn nötig! Das entlastet die Thrustwasher im Gelände völlig und sie können dann auf der Strasse (wenn das Diff wirklich gebraucht wird, weil die Räder keinen Schlupf haben) zuverlässiger ihren Dienst verrichten. Möglich ist es dann, wenn der Untergrund rutschig ist und die Räder durch leichten Schlupf die Aufgabe des Diff (Drehzahlausgleich zwischen den Achsen) übernehmen können. Ein Durchdrehen einzelner Räder (was ja im Gelände, aber nicht auf der Strasse ein Standardfall ist) geht IMMER extrem auf die Thrustwasher der betroffenen Differentiale und ist darum zu vermeiden.

Reparatur Zwischenwellenbohrung

Aufspindeln der Bohrung für die Zwischenwelle und Einschrumpfen der Lagerbuchse

Aufspindeln Bohrung Zwischenwelle


Eingeschrumpfte Buchse. Gehäuse im Backofen auf 150°C erwärmen, Buchse in den Gefrierschrank und schon plumpst sie rein. Ich hatte flüssigen Stickstoff zur Verfügung, das plumpst noch besser :-). Wichtig ist: Eventuelle Mitbewohner, die berechtigtes Interesse am Backofen haben könnten, vor dieser Aktion zum Shoppen schicken. Das Shopping ist in der Kostenaufstellung nicht berücksichtigt.

Eingeschrumpfte Buchse
Eingeschrumpfte Buchse mit probeweise eingesetzter Welle


Nach erfolgreicher Reparatur der Zwischenwellenbohrung habe ich noch in den höchsten Punkt des VTG ein 8er Gewinde gebohrt um darin eine Ringschraube montieren zu können. Ich kann das Getriebe nun zur Montage im Auto an dieser Schraube aufhängen und an einer quer im Auto liegenden Stange mit dem Flaschenzug hochziehen. Es lässt sich damit viel leichter einbauen, als nur zu zweit von unten hochzustemmen und dabei ziemlich sicher den Eingangssimmerring an der Schaltgetriebehauptwelle beim drüber schieben zu ruinieren.

Einsetzen der Differentialgruppe

WICHTIG: Jede Ausdistanzierung macht nur mit den Dichtungen Sinn, die man dann auch verwenden will. Die unterschiedlichen Hersteller der Dichtungssätze verwenden unterschiedlich dickes Material! Das ist auch bei Reparaturen zu beachten!


Nun wird die Hauptwelle distanziert und schon taucht das nächste Problem auf. Die Ausdistanzierung der Hauptwelle (und auch der Eingangswelle) ist abhängig von den Dichtungsstärken der verwendeten Dichtungen für die Achsabtriebsgehäuse (bzw für den PTO-Deckel). Ich habe erst mal die Lagerschalen ohne Distanzring eingebaut, die Dichtung raus gelassen und das Wellenspiel mit der Messuhr gemessen. Den Distanzring, den ich mit meinen vorhandenen Dichtungen bräuchte (1,20mm) gibt es nicht. Hmm ... seltsam .. die englischen Ingenieure. Na gut, dann mach ich ihn eben wieder selber.


Diffgehäuse nach der Distanzierung endgültig aufsetzen: Dazu ist es notwendig vor der Montage des Diffgehäuses den kleinen Deckel auszutreiben (roter Pfeil), Durch diese Bohrung wird nach der Montage des Gehäuses die Welle für die Differenzialsperrenklaue eingeführt. Den Deckel nach der Montage mit Dichtungsmasse wieder reinklopfen.

Diffgehaeuse klein.jpg

Alle Schrauben, die in den durchgebohrten Gewinden sitzen mit Dichtungsmasse einbauen. Durch die Gewinde suppt sonst immer ein wenig Öl raus.

Die Montage des LT230 ist hier nicht vollständig beschrieben. Der Grund dafür ist, dass alle anderen Montagepunkte im WHB absolut ausführlich beschrieben sind und deshalb nicht wiedergekäut werden müssen. Ich habe im Prinzip nur die Arbeitsvorgänge beschrieben, die nicht im WHB erwähnt sind, weil man in diesen Handbüchern ja doch immer wieder davon ausgeht, dass alle Einzelteile in einbaufertigem und maßhaltigem Zustand sind. Meine Beschreibung der Überholung bezieht sich also hauptsächlich darauf, was man tun kann, wenn das WHB nicht weiterhilft. Ansonsten ist das WHB zusammen mit meiner Beschreibung ein guter Helfer.

Fragen und Ergänzungen sind willkommen. Fragen bitte an landy(ät)heiderei.ch

Haftungsauschluss

Die hier veröffentlichte Anleitung wurde vom Autor nach Bestem Wissen und Gewissen erstellt. Dennoch kann es durch den Nachbau, bzw. den Ein-, Um- oder Anbau zu eventuellen Schäden am Fahrzeug kommen und die ABE (Allgemeine Betriebserlaubnis) kann erlöschen. Ebenso können einige Umbauten ausschließlich dem Zweck eines Wettbewerbseinsatzes dienen und sind eventuell im Bereich der StVZO (Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung) bzw. der StVO (Straßenverkehrs-Ordnung) nicht zulässig. Das Forum und der Autor des jeweiligen Beitrages übernehmen hierfür keinerlei Haftung. Der Nachbau, Ein-, Um- oder Anbau geschieht immer auf eigene Gefahr.